Erftstadt – Immer mehr Kinder und Jugendliche wachsen in Familien mit psychischen Belastungen auf. Das zeigt der Jahresbericht 2024 der Caritas-Erziehungs- und Familienberatungsstelle Erftstadt. Gleichzeitig geraten soziale Hilfen unter Druck: Geplante Kürzungen auf Landesebene gefährden die Finanzierung wichtiger Beratungsangebote.
2024 stieg die Zahl der Familien mit komplexen Problemlagen erneut. Besonders auffällig war der Anstieg bei Fällen, in denen Kinder durch ihr Umfeld gefährdet waren. Kinderschutzverfahren nach §8a SGB VIII mussten deutlich häufiger eingeleitet werden. Beratungen bei Verdacht auf körperliche oder seelische Gewalt gegen Kinder stiegen von acht im Jahr 2021 auf 30 im Jahr 2024. Auch psychische Auffälligkeiten bei Kindern nehmen weiter zu. Selbstverletzendes Verhalten, depressive Symptome und Schulverweigerung gehören mittlerweile zum Beratungsalltag. Viele Eltern sind überfordert – häufig liegen psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen vor.
„Wir erleben viele Familien, in denen mehrere Probleme gleichzeitig auftreten. Der Unterstützungsbedarf ist hoch“, sagt Einrichtungsleiterin Dr. Britta Schmitz. Die Ursachen sieht sie in den Folgen der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe und einer zunehmend verunsichernden gesellschaftlichen Lage. „Kriege, überforderte Eltern, fehlende Orientierung – viele Jugendliche blicken ohne Zuversicht in die Zukunft“, so Schmitz. Auch die digitale Welt bereitet Sorgen: „Social Media sind fast kinderschutzfreie Räume.“
Ein zentraler Bestandteil der Arbeit ist die Fachberatung zum Kinderschutz bei sexualisierter Gewalt. Die Caritas-Familienberatungsstelle gehört zu den wenigen Einrichtungen in der Region, die sowohl betroffene Kinder und Jugendliche als auch solche begleitet, die sexualisierte Gewalt ausgeübt haben. „Wer sich um diese Kinder kümmert, betreibt wirkungsvolle Prävention“, betont Schmitz.
Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, arbeitet die Beratungsstelle im Kompetenznetzwerk Gesundheit und Familie eng mit der Caritas-Erziehungs- und Familienberatung Kerpen und der Psychosozialen Beratung - Fachambulanz Sucht zusammen.
Trotz der angespannten Rahmenbedingungen ist das Team der Beratungsstelle fachlich breit aufgestellt: Neben den schon genannten Angeboten im Kompetenznetzwerk Gesundheit und Familie und der Fachstelle zum Kinderschutz bei sexualisierter Gewalt berichtet die Beratungsstelle im Jahresbericht 2024 über Systemische Kindertherapie, Entwicklungspsychologische Beratung im Bereich der Frühen Hilfen, Wildnispädagogik, Achtsamkeitszentrierte Körpertherapie, Tiergestützte Therapie mit Hund. Darüber hinaus gibt es weitere beratende und fachliche Angebote, darunter kreative Traumatherapie, Sandspieltherapie und motopädische Förderung für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen. Erkenntnisse aus Gruppenangeboten für flutbetroffene Kinder fließen zudem in die Konzeptarbeit ein. Diese Angebote werden im Jahresbericht 2025 dargestellt.
Besorgt zeigt sich die Einrichtung über die geplanten Mittelkürzungen des Landes im Bereich Kinder und Jugend. Obwohl die Kommune einen Großteil der finanziellen Mittel für die Familienberatungsstelle zahlt, ist diese auf die ergänzenden Mittel der katholischen Kirche und des Landes zur Aufrechterhaltung ihres Angebots angewiesen. „Wenn soziale Beratung unterfinanziert ist, trifft das zuerst die Schwächsten – Kinder, die in Armut, Gewalt oder Perspektivlosigkeit aufwachsen. Wer heute spart, zahlt morgen – gesellschaftlich, gesundheitlich und menschlich“, warnt Dr. Britta Schmitz. Die Caritas fordert daher eine verlässliche Finanzierung, um Kinder und Familien frühzeitig zu stärken.
+++++++++++
Der Caritasverband für den Rhein-Erft-Kreis e. V. ist Träger von rund 70 Diensten und Einrichtungen rund um ambulante und stationäre Pflege, Familien-, Kinder- und Jugendhilfe sowie Beratungsdienste. Neun Seniorenzentren betreibt der Verband im Kreisgebiet. Mit über 1.700 Mitarbeitenden gehört er zu den größten Arbeitgebern im Rhein-Erft-Kreis. Hinzu kommen rund 1.000 Ehrenamtler. Damit ist der Caritasverband zugleich der größte Wohlfahrtsverband im Rhein-Erft-Kreis.
www.caritas-rhein-erft.de
Bildzeile:
Dr. Britta Schmitz, Leiterin der Caritas-Erziehungs- und Familienberatung in Erftstadt
Foto: Carsten Preis / Abdruck honorarfrei